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Rote Flora gegen Hamburger Polizei 2:1

Spätestens seit dem sogenannten “Pimmelgate” ist die Bereitschaft der Sicherheitsbehörden zum Pinsel zu greifen, um an der Roten Flora Inhalte zu entfernen, allseits bekannt. Nun könnte eine neue Runde im Raum stehen – allerdings mit Drehleiter und Schere.

Eine Glosse von Jannis Große

Am Donnerstagabend haben Klimaaktivist:innen an der Roten Flora die Hamburger Polizei zu einem altbekannten Spiel eingeladen. Das Transparent, das sie gegen 21:30 Uhr auf dem Balkon entrollt haben, zeigt einen brennenden Tesla Cybertruck und den Spruch “Stop Tesla”. Darunter steht in roten großen Ziffern: “2:1”.

Am frühen Mittwochmorgen hatte die übereifrige Hamburger Behörde ein nahezu identisches Transparent von der Flora entwendet. Spezialkräfte der technischen Einheit seien mit einer Feuerwehr-Drehleiter zum Transparent hinaufgefahren und hätten es schnell abgeschnitten, wie die BIlD-Zeitung am Mittwoch berichtete. Die im Volksmund als “Soko Wand und Farbe” bekannte Einsatzfreude der Polizei ist dabei eine Hamburger Spezialität. 

Immer wieder überstreichen die hanseatischen Ordnungshüter unliebsame und strafrechtlich relevante Parolen und Plakate an besetzten Häusern wie der Flora. So übermalte die Polizei 2016 ein Plakat, auf dem verdeckte Ermittler gezeigt wurden. 2020 wurde eine riesige Postkarte an der Wand der Flora zensiert, mit der sich Aktivist:innen über die Öffentlichkeitsarbeit der Behörde lustig gemacht hatten.

Auch Abbildungen von brennenden Fahrzeugen scheinen die Behörde regelmäßig zu stören. Solche Transparente werden bei Demonstrationen immer wieder verboten oder beschlagnahmt. Am Rande einer "Fridays For Future"-Demonstration, präsentierten Einsatzkräfte für die Beweissicherung einmal das beschlagnahmte Transparent eines brennenden Polizeiautos. Hätten es Fotos davon ins Internet geschafft, wären sie als Meme sicherlich in die Geschichtsbücher eingegangen.

Nun wird eben auch mit einer Drehleiter gegen die Gefahr eines gemalten Cybertrucks vorgegangen. Und das ausgerechnet an der Roten Flora, an dessen Wand seit Sommer 2021 ein brennendes Polizeiauto prangt.  

Welch ungeplante Aufmerksamkeit die Polizei für ihre “Soko” und die entfernten Botschaften erzeugt, ließ sich zuletzt beim sogenannten “Pimmelgate” 2021 beobachten. Nach einer Hausdurchsuchung wegen eines Tweets gewann die Rote Flora das Spiel um den als Pimmel bezeichneten Innensenator Andy Grote mit 3:2 gegen die Polizei. Die Hamburger Morgenpost widmet dem Spektakel eine Titelseite, DER SPIEGEL erklärte den Verlauf des Pimmelgates. Der Streisandeffekt.

Die Auseinandersetzung mit Farbeimern und Leitern zwischen Aktivist:innen und der Polizei ist eine Hamburger Tradition, die auch in der Bevölkerung für Unterhaltung sorgt. So zeigt ein alter NDR Extra 3-Beitrag, der auf YouTube zu finden ist, schon 1994 die Auseinandersetzungen um die Wandgestaltung der damals besetzten Häuser in der Hafenstraße.

Im Fall des brennenden Teslas wurde der Spielstand in der Sternschanze schon am Donnerstagabend mit Grinsen zur Kenntnis genommen. Im Netz kursieren Gerüchte einer neuen Sonderkommission: der "SOKO Leiter und Schere". Linksradikale Gruppen bedankten sich bereits auf sozialen Netzwerken bei den Ordnungshütern und der Springerpresse für die zusätzliche Aufmerksamkeit. So ist das Plakat an der Flora für sie in erster Linie eins: Mobilisierung für die Aktionswoche gegen Tesla in Grünheide in der kommenden Woche. Das antikapitalistische Bündnis Disrupt ruft dort zu Aktionen des zivilen Ungehorsams gegen Teslas Gigafactory auf. Und es wäre wenig überraschend, wenn das Spiel um das “Stop Tesla”-Banner vor den Toren Berlins in die Verlängerung geht.