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Klimaaktivist:innen protestieren bei Mercedes-Benz-Werk in Bremen für Mobilitätswende

Ein Dutzend Klimaaktivist:innen haben am Montagmorgen gegen 6 Uhr die Schienen des Mercedes-Benz-Werks in Bremen lahmgelegt. Mit ihrer Aktion richteten sie sich gegen die Auslieferung von Luxusautos. “Wir blockieren hier am Mercedes-Werk die Auslieferung von Luxuskarossen”, sagt Karla Pfeiffer Pressesprecherin der Aktion.

“Die Klimakrise spitzt sich immer mehr zu und trotzdem produziert Mercedes aus Profitinteresse weiter massenweise rohstoff- und energiefressende Autos für den Individualverkehr”, sagt eine Person über die Motivation, sich am Protest zu beteiligen. Die Aktion ist Teil von Disrupt, einem Zusammenschluss von Gruppen, die die “Systemfrage” ins Zentrum ihres politischen Handelns stellen wollen.

Südlich des Bremer Mercedes-Benz-Werks haben sich Aktivist:innen auf den Schienen angekettet und blockieren somit die Verbindung der Werksschienen mit dem öffentlichen Schienennetz. Am Kundencenter im Nordwesten des Werkgeländes haben mehrere Aktivist:innen die Dachkonstruktion erklommen, um ein Transparent aufzuhängen: “Bahn und Bus statt Autostuss”.

Nach Zahlen des Umweltbundesamts entfallen etwa 20 Prozent der Treibhausgasemissionen auf den Sektor Verkehr. “Obwohl die kilometerbezogenen CO2-Emissionen seit 1995 gesunken sind, haben sich die gesamten CO2-Emissionen des Pkw-Verkehrs bis 2019 erhöht”, heißt es beim Umweltbundesamt. Neben steigender Fahrleistungen sei auch der Trend zu größeren und schwereren Fahrzeugen ein Grund für die Zunahme der Emissionen.

Über acht Millionen PKWs wurden im Mercedes-Benz Werk Bremen schon produziert. Zehn Modelle werden hier gefertigt, seit 2019 gehört auch ein Elektrofahrzeug der EQ-Serie dazu. Laut Nachhaltigkeitsstrategie des Unternehmens soll bis 2039 die gesamte Mercedes-Benz-Neufahrzeugflotte über den gesamten Lebenszyklus “bilanziell CO₂-neutral werden”. Das bedeutet konkret, dass entstehende CO2-Emissionen durch “zertifizierte Ausgleichsprojekte” kompensiert werden. Am Handel mit CO₂-Zertifikaten und den dafür nötigen Ausgleichsprojekten gibt es immer wieder Kritik und Zweifel, wie unter anderem die ZEIT vor gut einem Jahr recherchierte. 

Bei der “Transformation in eine nachhaltigere Zukunft” setzt Mercedes-Benz auf vollelektrische Alternativen für jedes Modell und einer Weiterentwicklung der individuellen Mobilität. Dabei ist die Herstellung eines vollelektrischen Fahrzeugs vor allem aufgrund der Lithium-Ionen-Batterien laut Unternehmen etwa doppelt so CO₂-intensiv wie die eines konventionellen Verbrenners. Die eigenen Fahrzeugproduktionsstandorte seien bereits seit 2022 bilanziell CO₂-neutral, heißt es bei Mercedes-Benz. Bei den E-Autos wirbt das Unternehmen mit CO₂-Emissionen von null Gramm pro Kilometer.

“Das ist ein Schönrechnen”, sagt Karla Pfeiffer, Pressesprecherin der Aktion. E-Autos blieben immer eine schlechtere Lösung als Busse und Bahnen, so Pfeiffer. “Jeden Tag zerstört die kapitalistische Wirtschaftsordnung ein Stück unserer Lebensgrundlagen für den Profit. Daran ändern auch Greenwashing, Produktlabel oder leere Versprechen nichts”, heißt es bei Disrupt.

Das Bündnis richtet sich “gegen den Autostaat Deutschland”. Nach Auffassung des Bündnisses ist “nur die massive Reduzierung der Autoproduktion eine adäquate Antwort auf die Herausforderungen der Klimakrise”. Ziel müsse ein öffentlicher Nahverkehr sein, der Mobilität für alle möglich mache.

Auch das Umweltbundesamt kommt zum Schluss, dass die Umwelt- und Klimaentlastung im Personenverkehr letztlich nicht allein durch technische Verbesserungen am Fahrzeug oder alternative Antriebe erreicht werden könne. “Diese Herausforderung kann nur in Kombination mit Maßnahmen wie einer Erhöhung der Verkehrseffizienz, einer sinkenden Verkehrsnachfrage oder einer veränderten Verkehrsmittelwahl gelöst werden”.

Als Gewerkschaft sieht die IG Metall im Umbau der Industrie nicht notwendigerweise eine Gefährdung der Arbeitsplätze – wenn Arbeit und Umwelt zusammen gedacht werden. „Die Verkehrswende hat das Potenzial für eine Beschäftigungsoffensive. Dafür braucht es eine aktive Industriepolitik und gute Weiterbildungsmöglichkeiten für Beschäftigte von Unternehmen, die in der Transformation stecken”, sagte der Zweite Vorsitzende der IG Metall, Jürgen Kerner, Anfang des Jahres.

BUND und IG Metall haben 2021 und 2022 gemeinsam an Strategien für eine sozial-ökologische Transformation im Mobilitätssektor gearbeitet. „Wir werden Mobilität künftig anders denken, konzipieren und leben müssen als heute“, heißt es in einer Stellungnahme. Auch die beiden Organisationen setzen sich für eine Mobilitätswende ein – „weg von der einseitigen Priorisierung des motorisierten Individualverkehrs hin zu einer nutzerzentrierten, klimafreundlichen Mobilität“, wie es in einem gemeinsamen Artikel formuliert ist.

Warum die Automobilindustrie trotzdem auf E-Autos setzt, liegt sicher auch an den Rahmenbedingungen der Ampel-Regierung. Im FDP-geführten Bundesamt für Digitales und Verkehr (BMDV) möchte man zwar auch den öffentlichen Personenverkehr stärken. Gleichzeitig setzt Volker Wissing mit seinem Ministerium auf den “Markthochlauf” alternativer Antriebe. “Die Erhöhung des Anteils elektrischer Pkw am Absatz von Neuwagen in Kombination mit Strom aus erneuerbaren Quellen ist der zentrale Hebel zur Senkung der vom Pkw-Verkehr ausgehenden Treibhausgasemissionen”, heißt es beim Verkehrsministerium. Bis zum Jahr 2030 sollen demnach 15 Millionen Elektroautos auf Deutschlands Straßen unterwegs sein. Zum Vergleich: Zum 1. Januar 2024 waren nach Zahlen des Kraftfahrbundesamts in Deutschland 49 Millionen Pkw zugelassen. 2,9 Prozent davon waren reine Elektroautos.

Von der Alternativlosigkeit des Autos, die aus Sicht von Disrupt von nahezu allen Parteien reproduziert werde, halten die Aktivist:innen wenig. “Die Gewinnung von Lithium – dem Hauptrohstoff für Batterien – richtet in den Abbaugebieten unglaubliche Zerstörung an. Ganze Landstriche und Ökosystem werden verwüstet”, heißt es in einem Aufruf. E-Autos seien nur eine vermeintlich grüne Alternative zum PKW und die Fortsetzung des Individualverkehrs mit anderen Mitteln. “Nur die massive Reduzierung der Autoproduktion [ist] eine adäquate Antwort auf die Herausforderungen der Klimakrise”, so Disrupt.

Die Menschen auf den Schienen wurden am Mittag von technischen Einheiten der Polizei aus ihren Lock-Ons gelöst und zusammen mit den anderen Teilnehmer:innen der Aktion zeitweise in Gewahrsam genommen. Die kletternden Aktivist:innen am Kundencenter kamen anschließend freiwillig vom Dach. Nach knapp sieben Stunden wurde die Aktion in Bremen beendet. Gegenüber dem Manager Magazin teilte Mercedes-Benz mit, dass die Produktion im Werk Bremen sowie die Fahrzeugauslieferung im Kundencenter nicht beeinträchtigt worden seien.

Um sich der Produktion von E-Autos in den Weg zu stellen, kämpft das Bündnis Disrupt auch in Grünheide gegen die geplante Erweiterung von Teslas Gigafactory. “Durch drei weitere Ausbaustufen soll das Werk vor den Toren Berlins zur größten Autofabrik Europas werden. Das wollen wir verhindern”, heißt es in einem Aufruf für eine Aktionswoche im Mai.

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