Die Ästhetik der Gewalt

Bei politischen Großereignissen wie Lützerath oder den Protesten im Zusammenhang mit dem »Antifa Ost«-Verfahren zeigt die Polizei in Deutschland ihre ganze Stärke. Als würden zivilgesellschaftliche
Proteste für Klimagerechtigkeit oder Antifaschismus die innere Sicherheit gefährden – weil Erdklumpen, Flaschen oder Steine fliegen
und vereinzelt Sachschäden entstehen – üben sich die Einsatzkräfte in der Aufstandsbekämpfung.


Ein Meinungsbeitrag von Jannis Große
CN/TW Polizeigewalt



Brüllend nach vorne stürmen oder mit Schlagstöcken wild um sich schlagen, scheinen dabei übliche Einsatztaktiken zu sein. Traumata und schwere Verletzungen werden billigend in Kauf genommen. Dabei schreitet die Militarisierung der Polizei in den letzten Jahrzehnten munter voran: gepanzerte Fahrzeuge, zusätzliche Waffen, neue Polizeigesetze mit noch mehr Befugnissen. Jeder Anschlag, jede Gewalttat dient zur Forderung nach mehr Geld und mehr Rechten für die Sicherheitsbehörden. Zum »Schutz der Bevölkerung«. Aber wer wird da eigentlich geschützt?

Als Halit Yozgat am 6. April 2006 in Kassel vom NSU erschossen wird, ist ausgerechnet ein Mitarbeiter des Verfassungsschutzes am Tatort, der nichts gesehen haben will. Ermittelt wird in der migrantischen Community. Die Morde des NSU werden erst nach der Selbstenttarnung der Neonaziterroristen aufgeklärt. Im Jahr 2005 verbrannte Oury Jalloh im Polizeigewahrsam in Dessau – an der Matratze fixiert. Bis heute behaupten die Behörden, er hab sich selbst angezündet. Immer wieder fliegen rechte Netzwerke in den Sicherheitsbehörden auf, es wird Munition entwendet und sich auf einen Tag des Umsturzes vorbereitet.

Alles »Einzelfälle«, deren Weltbild obdachlose und geflüchtete Menschen, sowie People of Color oder links gelesene Menschen auch bei alltäglichen Begegnungen mit der Polizei zu spüren bekommen. Man könnte fast meinen, wer nicht ins Bild einer weißen und reichen Mehrheitsgesellschaft passt, ist in den Augen der Polizei potenziell gefährlich. Menschen, die dir aus Perspektivlosigkeit im Park Drogen anbieten; Obdachlose, die eine offene Türe nutzen, um mal eine Nacht im Warmen zu haben; eine Klimabewegung, die uns versucht vor den Folgen der Klimakrise zu warnen: Sie alle werden kriminalisiert.

Als Exekutivorgan mit Gewaltmonopol ist die grundlegende Aufgabe der Polizei die Erhaltung der bestehenden Ordnung. Wer diese Ordnung infrage stellt oder für eine gerechtere Welt kämpft, wird kriminalisiert und weggesperrt. Überwachung, präventives Abfilmen von Versammlungen, Anzeigen, Gefährderansprachen, Meldeauflagen, Hausdurchsuchungen, Prozesse: all das sind Mittel eines repressiven Staates. Sie treffen marginalisierte Gruppen, genauso wie politische Bewegungen. Die Polizei ist der Feind aller emanzipatorischen Bewegungen, aller Ausgebeuteten.