Die Kriminalisierung der Klimabewegung ist ein Angriff auf die Demokratie
Die Hausdurchsuchungen bei der »letzten Generation« und Beschlagnahmung der Website sind ein gefährliches Signal; der Vorwurf »Bildung einer kriminellen Vereinigung« ein schlechter Witz. Ein Kommentar von Jannis Große.
»Klimakleber« werden sie abwertend genannt, jetzt sollen sieben Mitglieder der »Letzten Generation« – so legen es ihnen Ermittler zur Last – über eine Spendenkampagne insgesamt 1,4 Millionen Euro eingetrieben zu haben, die angeblich zur Begehung von Straftaten dienen sollen. Im Auftrag der Generalstaatsanwaltschaft München wurde bei Hausdurchsuchungen und Kontensperrungen am Mittwoch auch gleich die Webseite der Gruppe »beschlagnahmt«. »Die Letzte Generation stellt eine kriminelle Vereinigung gemäß § 129 StGB dar!«, so ein Warnhinweis auf der Webseite. Ganz ohne Urteil, quasi in vorauseilendem Gehorsam.
Ernsthaft? Das ist unser gesellschaftlicher Umgang mit Protest? Frei nach dem Motto »kill the messenger« wird hier eine Bewegung kriminalisiert, die uns vor der Klimakrise warnen will. Das ist ungefähr so zielführend, wie der Automechanikerin eine schlechte Google-Bewertung zu geben, weil sie das Auto mit kaputten Bremsen nicht wieder auf die Straße lassen will. Und ähnlich gefährlich.
Klar, man kann die Aktionsformen der Gruppe nervig finden, man kann sich auch darüber aufregen. Vielleicht muss gesellschaftlich auch darüber diskutiert werden, welche Aktionsformen zielführend sind; Wie diejenigen abgeholt werden können, die trotz Klimakrise ein »Weiter-So« für eine Option halten. Aber diese Form von verzweifelten Protest staatsgläubiger Aktivist:innen zu kriminalisieren ist ein Angriff auf die Demokratie.
Mal ernsthaft: Die Aktivist:innen blockieren den Verkehr, beschädigen vielleicht sogar mal mit Farbe eine Fassade oder verursachen einen wirtschaftlichen Schaden durch zugedrehte Pipeline-Ventile. Aber die Forderungen und Ziele, die dahinter stehen, könnten rechtsstaatlicher nicht sein: Ein Bürger:innenrat zur Klimakrise ist eines der Hauptanliegen. Eine Idee, die sogar im Koalitionsvertrag der Ampel steht und in anderen Themenfeldern schon angewendet wird.
Im Angesicht der Klimakrise sind auch die Schäden all dieser Aktionen mehr als harmlos. Was sind schon ein paar Millionen Euro Schaden gegen die Kosten, die uns durch die Klimakrise drohen? Was ist genervt im Stau stehen gegen steigende Meeresspiegel, Extremwetter und den Verlust von Lebensgrundlagen? Und radikale Aktionsformen wie Blockaden von Kohlekraftwerken sind seit Jahren ein beliebtes Mittel der Klimabewegung – ohne dass es bescheuerte Vergleiche wie eine »Klima -RAF« in die breite Öffentlichkeit schafften.
Am Ende ist Paragraf 129 neben der Bekämpfung von organisierter Kriminalität und tatsächlichem Terrorismus vor allem für eins gut: staatliche Überwachung unliebsamer politischer Bewegungen. Er trifft Kommunist:innen, Antifa-Gruppen und Klimabewegung gleichermaßen. Und selbst etliche Gruppen, die die Formen der »Letzten Generation« kritisieren, zeigen jetzt ihre Solidarität. Urteile zu 129-Verfahren sind selten, viel mehr geht um Rechtsgrundlagen für Telefonüberwachung und Observationen: Es ist politisches Strafrecht.
Das zeigt sich eben besonders deutlich, wenn die Generalstaatsanwaltschaft München aus einem Anfangsverdacht einer Straftat ein Urteil fantasiert. Aber wer erwartet schon von der Exekutive eine demokratische Grundhaltung? Kurz gesagt: Wer sich Repression zunutze macht, um unliebsame Proteste zu kriminalisieren und de facto zu zensieren, greift genau das an, was die Aktivist:innen angeblich so oft missachten: die Grundlagen der Demokratie.
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Quellen:
https://twitter.com/TiloJung/status/1661364935887310848
https://twitter.com/TiloJung/status/1661323210267172864
https://twitter.com/Schattleitner/status/1661351889324109825
PM der letzten Generation.
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