Veröffentlicht am

Neue Farbe für die Flora

Die Aktivist:innen haben sich ein Gerüst gebaut, um an alle Teile der Wand zu kommen. Wer eine Spraydose in der Hand hat oder auf dem Gerüst rumklettert, vermummt sich. Es ist zwar nicht verboten an der Wand zu sprühen, da es so gesehen eine private Fläche der Roten Flora ist, erkannt werden wollen die Aktivist:innen trotzdem nicht.

Ein Grund dafür: die Polizei. Immer wieder läuft oder fährt eine Streife vorbei. Die meisten Polizist:innen ignorieren das Geschehen, höchstens ein kurzer skeptischer Blick zur Wand im Vorbeilaufen. Einem Polizisten entgleiten hingegen die Gesichtszüge, als er im Vorbeifahren das Bild eines brennenden Polizeiautos auf der Wand entdeckt. „Wir sind uns auch nicht sicher, wie lange das Motiv noch steht“, sagt einer der Aktivist:innen.

Erst neulich hat die Polizei bei einer Demonstration ein Transparent mit ähnlichem Motiv beschlagnahmt und Strafverfahren eingeleitet. Auch ungewünschte Botschaften an der Roten Flora, wie die satirische Postkarte von Ben oder die Fotos der verdeckten Ermittler:innen wurden in der Vergangenheit von der Polizei übermalt.

Den Abschluss der Umgestaltung feierten die Aktivist:innen, in dem sie Pyrotechnik auf dem Dach des Eingangs zündeten. Für eine kurze Zeit leuchtete das Schulterblatt am Dienstagabend im rot der Bangalos. Die Polizeistreife wenige Meter weiter kümmerte das kaum, sie war mit Fußballfans im Gespräch.

Sechs Tage lang haben Aktivist:innen den Eingang der Roten Flora in Hamburg neu gestaltet und mehr als 30 politische Motive und Sprüche an die Wand links vom Hauptgebäude gesprüht. Zum ersten Mal, steht jetzt „Rote Flora“ an der Fassade, erzählt einer der Beteiligten stolz.

Die Rote Flora ist ein autonomes Kulturzentrum in der Sternschanze, das seit 1989 als besetzt gilt. Versuche von Seiten der Stadt einen Nutzungsvertrag auszuhandeln scheiterten. Bis heute ist die Rote Flora für die radikale Linke ein wichtiger Ort, an dem Infoveranstaltungen, Konzerte und regelmäßige Veranstaltungen wie die Küfa (Küche für alle) stattfinden.

Auch wenn sich die Schanze in den letzten 30 Jahren stark verändert hat, gehört die Flora für viele fest zum Bild des Stadtteils. So bleiben viele Passant:innen interessiert stehen und beobachten die Aktivist:innen beim Sprühen. „Super“ sagt eine junge Frau im Vorbeilaufen. „Jungs, das geht doch besser“, hört man aus einem vorbeifahrenden Auto. „Ich sprühe seit ich 13 bin, aber gute Arbeit trotzdem!“. Oft wird das Handy gezückt und fotografiert – zum Ärgernis der Aktivist:innen. „Kannst du vorher fragen bevor du fotografierst?“ fragt eine Aktivist:in als ein älterer Herr direkt vor der Wand stehen bleibt und ein Foto macht.