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Für den Schutz des Waldes: 6000 Kilometer zu Fuß durch Deutschland

Um 6:30 Uhr sitzt Gerald Klamer am Tisch der kleinen Waldarbeiter:innenhütte und schreibt an seinen Notizen. Sein Schlafsack hängt hinter ihm über einer Stange. Auf den Tisch hat er seine wenigen Habseligkeiten ausgebreitet: Laptop, Kamera, Handy, Notizblock und Essen. Noch ist das Licht seines Laptops heller als das frühe Tageslicht, das durch die kleinen Fenster in die einfache Hütte fällt. An den Wänden hängen ausgestopfte Auerhähe und Geweihe. Auf der gegenüberliegenden Seite des Tischs steht ein alter Holzofen. Nicht jede Nacht hat Gerald Klamer den Luxus eines beheizbaren Raumes. 6000 Kilometer will er kreuz und quer durch Deutschland wandern, um sich alle großen Waldgebiete und Nationalparks mit Waldanteil anzuschauen. „Waldbegeisterung“ heißt sein Projekt, mit dem er Ende Februar in Marburg begonnen hat. „Ich verbinde damit im Prinzip meine beiden großen Leidenschaften“, erzählt Gerald. „Das Wandern und Draußen-Sein auf der einen Seite und die Leidenschaft für den Wald auf der anderen Seite.“

Gerald Klamer ist 54 Jahre alt und hat rund 25 Jahre lang als Förster in Hessen gearbeitet. Seinen Job hat er gekündigt und seine Wohnung und sein Auto hinter sich gelassen. Die rund acht monatige Wanderung dokumentiert er auf Instagram und seinem Blog. Mit dem Projekt will er in erster Linie auf die Situation des Waldes aufmerksam machen. An positiven Beispielen will er dabei zeigen, wie eine Bewirtschaftung aussehen muss, um den Wald nicht weiter zu destabilisieren. Dazu trifft er immer wieder naturnahe Forstbetriebe, Wissenschaftler:innen und Bürger:inneninitiativen.

Damit er die Gespräche und Erkenntnisse nicht vergisst, schreibt Gerald Tagebuch und macht sich Notizen im Laptop, die er als Blogeinträge auf der Projekt-Webseite veröffentlicht. Die Notizen, die er in den frühen Morgenstunden in der Hütte aufschreibt, handeln vom Stadtwald Baden-Baden, den er sich tags zuvor von Forstamtsleiter Thomas Hauck hat zeigen lassen. Hier versucht man sich auf den Klimawandel vorzubereiten, mit gesunden Mischwäldern, die auch nach einem Sturm wieder nachwachsen, ohne dass dafür eingegriffen werden muss. Hauck betont, dass in Baden-Baden die Nutzfunktion des Waldes, also Holz zu erwirtschaften, hinter der Schutz- und Erholungsfunktion stehe, der Klimawandel sei dabei ein allgegenwärtiges Thema.

Klimawandel ist auch bei Gerald Klamer ein zentrales Thema, denn Wald ist nicht nur von den Folgen des Klimawandels, wie extreme Trockenheit, betroffen. Der Wald spielt global gesehen auch als CO2-Speicher für das Klima eine entscheidende Rolle, erzählt Gerald Klamer. „Große Waldgebiete üben außerdem eine Kühlfunktion für die umgebene Landschaft aus und haben somit starken Einfluss auf das lokale Klima“.

Rund 30 Kilometer legt er im Durchschnitt täglich zurück. Entlang des Wasserleitungswegs führt seine heutige Route zunächst bis zum Wildnispfad im Nationalpark Schwarzwald. Von dort geht es über die Badener Höhe durch Herrenwies und über die Dreikohlplatten bis nach Hundsbach. Gerald ist dabei ganz in seinem Element. „Ich wandere schon seit Jahrzehnten, dabei habe ich auch schon viele tausende Kilometer auf der ganzen Welt zurückgelegt“, erzählt er. „Deswegen denke ich, dass ich die 6000 Kilometer auch schaffe. Das ist schon eine große physische Herausforderung, die man nicht auf die leichte Schulter nehmen sollte.“ Auch in Zukunft will er sich mit Wanderprojekten für schützenswerte Wälder einsetzen.

Die Route führt ihn durch ganz unterschiedliche Wälder. Wie ein naturnaher Wald mit möglichst positiven Wirkungen auf Klima und Biodiversität aussieht, will Gerald im Laufe seiner Wanderung herausfinden. Seine Erkenntnisse will er dann mit einer Vortragstour und einem Buch weitergeben. Dass so ein Wald aus möglichst verschiedenen heimischen Baumarten bestehen und weniger bewirtschaftet werden sollte, steht aber schon heute für ihn fest. "In einem gemischten Wald verteilt sich das Risiko von Krankheiten und Windwurf. Das heißt, wenn eine Baumart beispielsweise durch einen Insektenangriff ausfällt, können andere ihren Platz einnehmen".

Wie fast jeden Tag sucht er sich heute für seine 52. Übernachtung einen
ruhigen Ort im Wald und schlägt sein Lager auf. Eine kleine Plane,
Isomatte und Schlafsack legt er auf den moosigen Waldboden. Zwischen
zwei Bäume spannt er sein Tarp, das ihm als Regenschutz dient. Im
Schlafsack sitzend, sichert er seine heutigen Fotos, schreibt den
nächsten Blogeintrag und genießt sein kaltes Abendessen. Warmes Essen
gibt es nur, wenn er eingeladen wird. Während die Vögel im
Sonnenuntergang noch zwitschern, schläft Gerald schon ein. Morgen geht
es wieder mit den ersten Sonnenstrahlen weiter Richtung Süden.